Vorstände klug zusammen setzen

Manch­mal erle­be ich in gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen, dass der Vor­stand bloß pro for­ma exis­tiert. Das pas­siert zum Bei­spiel, wenn er aus Men­schen besteht, die sich dazu haben „breit­schla­gen“ las­sen. Oder er rekru­tiert sich aus Mit­ar­bei­te­rIn­nen. Das führt dann zu Inter­es­sen­kon­flik­ten, denn der Vor­stand als das Lei­tungs­or­gan soll die Rich­tung der Orga­ni­sa­ti­on vor­ge­ben und die Geschäfts­füh­rung beglei­ten und kon­trol­lie­ren und nicht in ers­ter Linie die Inter­es­sen der Mit­ar­bei­te­rIn­nen vertreten.

Nach mei­ner Erfah­rung bestehen funk­tio­nie­ren­de Vor­stän­de aus enga­gier­ten (oft älte­ren) Men­schen, die Fach­kom­pe­tenz und Erfah­rung aus einem lan­gen (Berufs-) Leben mit­brin­gen. Sie sind der Idee des Vereins/der Orga­ni­sa­ti­on ver­pflich­tet und müs­sen nicht befürch­ten, ihren Brot­er­werb zu ver­lie­ren, wenn es dem Ver­ein schlecht geht. Das befä­higt sie im bes­ten Fall dazu, über den Tel­ler­rand des Sta­tus Quo in der Orga­ni­sa­ti­on hin­aus zu denken.

Auch wenn die Eta­blie­rung eines funk­tio­nie­ren­den Vor­stands zunächst Mehr­ar­beit ver­ur­sacht: Es spricht viel dafür, sich bei der Aus­wahl von geeig­ne­ten Per­so­nen über die fol­gen­den Fra­gen Gedan­ken zu machen:

  • Wer kann uns kom­pe­tent in unse­rer Arbeit bera­ten, ohne Eigen­in­ter­es­sen zu verfolgen?
  • Wer ist bereit, sich über meh­re­re Jah­re an die Orga­ni­sa­ti­on zu bin­den und Zeit zu investieren?
  • Wer wirkt inte­grie­rend gegen­über Team, Mit­glied­schaft und Vorstand?
  • Wer bringt beson­de­re Fähig­kei­ten mit (die man sonst ggf. ein­kau­fen müss­te), etwa als Juris­tIn oder BetriebswirtIn?
  • Wer eig­net sich als Tür­öff­ne­rIn bei Geld­ge­bern, Minis­te­ri­en und ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, die für unse­re Arbeit wich­tig sind?
  • Wer erweckt als „Gesicht der Orga­ni­sa­ti­on“ Vertrauen?
  • Wer erhöht die Diver­si­tät der Orga­ni­sa­ti­on, indem sie/er Erfah­run­gen mit­bringt, die ansons­ten im Team bzw. in der Orga­ni­sa­ti­on zu kurz kommen?
  • Wer kann ggf. bei Pro­ble­men im Team oder zwi­schen Team und Geschäfts­füh­rung als kompetente/r und vertrauenswürdige/r Ansprech­part­ne­rIn zur Ver­fü­gung stehen?

Was braucht unsere Organisation zum Lernen?

Ler­nen­de Orga­ni­sa­tio­nen sind Orga­ni­sa­tio­nen in Bewe­gung, die sich auf ver­än­der­te Bedin­gun­gen krea­tiv und immer wie­der neu ein­stel­len kön­nen. Sie haben ver­stan­den, dass die Wei­ter­ent­wick­lung der Mit­ar­bei­ter und Teams die Grund­la­ge für den Erfolg der Orga­ni­sa­ti­on bil­den. Das gilt in der städ­ti­schen Ver­wal­tung genau so wie in der Schrau­ben­fa­brik oder in einem Hotel. 

Dazu braucht es eine Feh­ler­kul­tur, in der Feh­ler nicht als Makel ange­se­hen wer­den, den es zu ver­tu­schen gilt. Ohne Feh­ler geht es nicht vor­an, sie sind not­wen­di­ger Bestand­teil jeder Wei­ter­ent­wick­lung. Eine Orga­ni­sa­ti­on ist des­halb gut bera­ten, wenn sie die Angst vor Feh­lern abbaut, nach dem Mot­to „wer sich ein­bringt, wer viel macht, wird auch Feh­ler machen“. Kei­ne Feh­ler mache ich (wenn über­haupt) nur dann, wenn ich wie eine Maschi­ne immer die glei­chen Arbeits­vor­gän­ge ver­rich­te. Die­se Art von Arbeits­plät­zen ist glück­li­cher­wei­se – zumin­dest in die­sem Land – im Aus­ster­ben begriffen.

Wie las­sen sich gute Bedin­gun­gen für ein Ler­nen in Orga­ni­sa­tio­nen schaf­fen? Die Hirn­for­schung betont die Ver­schrän­kung von emo­tio­na­len und kogni­ti­ven Antei­len beim Erfah­rungs­ler­nen. Wo ich etwas mit Begeis­te­rung tun kann, kann ich mich/kann sich mein Hirn wei­ter­ent­wi­ckeln. Auf sehr unter­halt­sa­me Art und Wei­se hat das der Hirn­for­scher Gerald Hüt­her 2011 auf einem Vor­trag in Ber­lin erklärt. Daher ste­hen alle Orga­ni­sa­tio­nen vor der Auf­ga­be, Räu­me zu öff­nen, in denen etwas mit Freu­de und Begeis­te­rung getan wer­den kann. Das kann bedeu­ten, einen Wech­sel von Arbeits­auf­ga­ben zu ermög­li­chen. Oder regel­mä­ßi­ge Fort­bil­dun­gen, die per­sön­li­ches Wachs­tum erlau­ben (auch wenn das vor­der­grün­dig mit den Arbeits­auf­ga­ben nichts zu tun hat). Oder mehr Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on im Unter­neh­men zuzu­las­sen. Was getan wer­den kann, damit die Freu­de in die Arbeit zurück­kehrt, dar­auf gibt es so vie­le mög­li­che Ant­wor­ten, wie es unter­schied­li­che Orga­ni­sa­tio­nen gibt.

Graffiti: Hamsterrad, treadmill, vacation

Hamsterrad E-Mail abschalten

Wenn ich aus dem Urlaub wie­der­kom­me, weiß ich, dass auf mich bis zu 1.000 E-Mails war­ten. Ich brau­che 2-3 Wochen, um die abzu­ar­bei­ten, dafür bleibt wie­der ande­res lie­gen. Manch­mal über­le­ge ich, ob es nicht erhol­sa­mer wäre, über­haupt nicht wegzufahren.“

Das ist belas­ten­der All­tag für Mil­lio­nen Ange­stell­te: Die Unmög­lich­keit, sich aus dem stän­di­gen Infor­ma­ti­ons­strom – immer stär­ker auch über Han­dy und Tablet – aus­zu­klin­ken. Ver­nünf­ti­ge Arbeit­ge­ber wis­sen, dass sie weder den Beschäf­tig­ten noch dem Unter­neh­men mit die­ser Dau­er­an­span­nung einen Gefal­len tun. Gibt es eine Alter­na­ti­ve zu die­sem „Sach­zwang“?

Ich emp­feh­le, zu über­prü­fen, an wel­chen Arbeits­plät­zen das E-Mail­kon­to wäh­rend des Urlaubs kom­plett abge­schal­tet wer­den kann: Absen­der bekom­men dann eine Abwe­sen­heits­nach­richt mit der Tele­fon­num­mer und E-Mail­adres­se der Ver­tre­tung und wer­den dar­über infor­miert, dass Ihre Mail weder gespei­chert noch beant­wor­tet wird, damit der „Erho­lungs­ur­laub“ sei­nen Namen auch ver­dient. Sie kön­nen ent­schei­den, ob sie sich an die Ver­tre­tung wen­den oder ob ihr Anlie­gen war­ten kann, bis der Betref­fen­de zurück­ge­kehrt ist.

Es ist klar, dass das in klei­ne­ren Betrie­ben bei man­chen Füh­rungs­kräf­ten nicht funk­tio­niert, aber auch hier ist der Gestal­tungs­spiel­raum grö­ßer, als es zunächst den Anschein hat. Posi­ti­ve Neben­ef­fek­te: Ver­tre­tungs­re­ge­lun­gen wer­den erns­ter genom­men; Ange­stell­te hal­ten sich nicht mehr für uner­setz­bar; Part­ner bekom­men ein Bei­spiel, wie sich Arbeit men­schen­ge­rech­ter orga­ni­sie­ren lässt.

Ich fin­de, dass sich ein sol­cher Schritt durch­aus öffent­lich­keits­wirk­sam kom­mu­ni­zie­ren lässt – das macht Schu­le und nützt auf Dau­er der Organisation….

Bild: Andre­as Schwarz­kopf (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wiki­me­dia Commons

 

Empowering team leader

Teamleitung ermächtigen

Eine Bekann­te, die in einer grö­ße­ren öffent­li­chen Ein­rich­tung arbei­tet, erzählt mir davon, wie aus Ihrer Sicht die Zusam­men­ar­beit im Team durch einen über­emp­find­li­chen Kol­le­gen belas­tet wird. Die uner­träg­li­che Team­si­tua­ti­on hat dazu geführt, dass der Erho­lungs­ef­fekt und ihre gute Lau­ne nach dem Urlaub am ers­ten Arbeits­tag schlag­ar­tig weg waren. Bewäl­ti­gungs­ver­su­che im Team schei­ter­ten dar­an, dass der Kol­le­ge sich der Situa­ti­on ent­zog. Für mich ist das ein gutes Bei­spiel dafür, wie ent­schei­dend es ist, dass das Team als sozia­ler Zusam­men­hang, als „Sys­tem“, funktioniert.

Gemein­sam über­le­gen wir, was in der schon seit lan­gem schwe­ren Situa­ti­on Erleich­te­rung schaf­fen könn­te. Mög­lich wäre eine Ver­än­de­rung der räum­li­chen Arbeits­si­tua­ti­on. Eine Ver­ant­wor­tung für die Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on sehe ich vor allem bei der Team­lei­tung, die aller­dings unbe­dingt ver­mei­den muss, dass der emp­find­li­che Kol­le­ge aus­ge­grenzt wird und als „das Pro­blem“ erscheint. Ich wür­de emp­feh­len, dass die Team­lei­tung unter Ein­be­zie­hung aller Akteu­re einen (auch ger­ne krea­ti­ven) Lösungs­vor­schlag erar­bei­tet und sich dafür die not­wen­di­ge Unter­stüt­zung bei ihren Vor­ge­setz­ten holt.

Don't lose your face

Ich will nicht, dass Du Dein Gesicht verlierst

Wer kennt das nicht: Ein Arbeits­ver­hält­nis ent­wi­ckelt sich schlecht, es gibt Streit, das Ver­trau­en zwi­schen einer oder einem Ange­stell­ten und der Team- oder Geschäfts­lei­tung lei­det. Wer dar­an Schuld hat, wird von bei­den Sei­ten völ­lig unter­schied­lich ein­ge­schätzt. Auch wenn nur weni­ge Arbeits­ver­hält­nis­se – z.B. in der Pro­be­zeit – schei­tern, ist das sowohl für die oder den Betrof­fe­nen als auch für die Geschäfts­lei­tung eine äußerst her­aus­for­dern­de Situa­ti­on, die Behut­sam­keit und gute Kom­mu­ni­ka­ti­on erfor­dert. Im schlimms­ten Fall zieht der Kon­flikt Krei­se, es wird schlecht über­ein­an­der gere­det oder es ent­steht sogar ein Klein­krieg, der die Orga­ni­sa­ti­on beschädigt.

Mein Rat an Füh­rungs­kräf­te ist, beson­ders in Situa­tio­nen, wo Arbeits­ver­hält­nis­se schei­tern, unbe­dingt deut­lich zu machen, dass alle Ange­stell­ten – auch und gera­de die, mit denen es nicht so gut läuft – Ver­trau­ens­schutz genie­ßen. Das bedeu­tet nicht, dass man sich in der Sache nicht hart aus­ein­an­der setzt und sich viel­leicht sogar trennt. Es heißt aber, dass die Geschäfts­lei­tung alles tun wird, um zu ver­hin­dern, dass eine Per­son ihr Gesicht ver­liert, etwa weil schlecht über sie gere­det wird. Es ist im Inter­es­se der gan­zen Orga­ni­sa­ti­on, wenn Kon­flik­te zivil und ver­ant­wort­lich aus­ge­tra­gen wer­den, so schwer das fal­len mag.